Die Entwicklung der Schrift

Es ist ein spannendes Thema, wie sich aus Bildern Buchstaben entwickelten, eine Jahrtausende alte Story. In meiner Lehrzeit als Schriftsetzer war das Wissen über die Entwicklung der Schrift ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Es war ein Thema, was mich damals schon faszinierte.
Und deshalb beschäftige ich mich bis heute mit Schrift, Kalligrafie, Schriftfonts. In Phuket habe ich endlich Zeit gefunden (mir genommen), die Theorie in die Praxis umzusetzen. Ich habe über 30 Fonts mit unzähligen Schnitten gestaltet und als TT-Fonts angelegt – hier das Schriftmusterbuch als PDF.

8Schrift_Ret
Aus dieser Zeit stammt eine Arbeit, auf die ich heute noch stolz bin. Aufgabe war es im Berichtsheft über die Entwicklung der Schrift zu schreiben. Bei mir wurde daraus fast ein Buch, so begeisterte mich das Thema. 13 Seiten Text, alles fein säuberlich von Hand geschrieben, und 53 Seiten Bildmaterial im Format A4 füllten einen 50er Leitz-Ordner und brachten mir ein „sehr gut” und ein Lob im Zeugnis ein. Den Ordner habe ich mit nach Thailand genommen und ich habe den Ordner digitalisiert. Dass ich so schnell fertig wurde, liegt leider auch an Corona.

Entstanden ist die Arbeit 1964. Damals gab es weder Internet noch Google, wo man alles schnell nachsehen kann. Ich war angewiesen auf das, was uns die Lehrer im Unterricht beibrachten, auf das was ich in Fachpublikationen finden konnte und auf das, was ich aus Kalendern, Kunstblättern und zu Hause finden konnte.

8Herder
Zu Hause gab es den Kleinen Herder von 1930, etwa A5 groß, über 1500 Seiten und fast 2 kg schwer. Dieses Buch war schon in meiner Gymnasiumszeit mein wichtigstes Nachschlagewerk. Jetzt diente es vor allen als Lieferant für Bildmaterial, das zwar kleinformatig und nur schwarzweiß war, aber besser als nichts. Weitere Bildlieferanten waren meine alten Geschichtsbücher. Alle Bücher hatten nach meinem Werk über die Schriftentwicklung viele fehlende Bilder.  Aber mein Vater hat’s erlaubt, zumal jetzt Herders Standard Lexikon farbig in 3 Bänden im Schrank stand. Das erhielt ich zum Vorzugspreis, da ich ja bei Herder in die Lehre ging.

8DetHandschriftIch hatte mich entschieden, die Texte durch reichlich Bildmaterial zu belegen. Auf der einen Seite die reine Information, die für das Berichtsheft notwendig war, auf der anderen aber ein optischer Bonus zur Information.

8DetFrakturZeit
Das erforderte aber eine Trennung von Text und Bild, weil sonst alles viel zu unruhig geworden wäre.

8DetFarbpunkte
So suchte ich die Verbindung von Text und Bild durch eine Art Farbleitsystem herzustellen. Jede Textüberschrift bekam einen Farbpunk vorne an, hergestellt mit einem Locher aus dem gleichen Buntpapier, auf dem ich die Fotos aufklebte.
8DetJugStil
Die Bildseiten haben alle ein einheitliches Raster oder einen sog. Satzspiegel. Oben direkt die Hauptinformation in Wort und Bild, darunter auf einem schmalen weißen Balken die Headline. Darunter weiters Bildmaterial zum jeweiligen Thema. Wenn ich viel hatte, entstanden ausklappbare Bildseiten.

8DetWortbild
Ich hatte damals auch keinen Kopierer. Wenn irgendwelche Illustrationen nicht passen im Format waren, wurden sie kurzerhand neu gezeichnet, wie hier die Eskimo Bilderschrift.
Beim Thema Bilderschriften hatte ich Bildmaterial aus einer Publikation, die sich mit dem Thema beschäftigte.

8DetLascauxBesonders die Höhle von Lascaux in der Dordogne hat mich sehr beeindruckt und setzte sich in meinem Kopf fest. Aber erst 1983 hatte ich die Gelegenheit, die Höhle zu besuchen, meinen Traum zu erfüllen.
8DetLayout

In der jetzigen digitalen Version habe ich den Satzspiegel leicht verändert und links den Text zum jeweiligen Thema eingefügt. Das ist für den Betrachter heute einfacher und schlüssiger. Dafür musste ich auf Bildmaterial verzichten, weil ich durchgängig pro Thema eine Seite haben wollte.
Die ersten 13 Seiten zeigen den Weg von den Gegenstandsschriften über Bilderschriften zu den ersten Alphabethen bis zur karolingischen Minuskel – ein Zeitraum von über 9000 Jahren. Hier das ganze als PDF: Schriftentwicklung1

Dann kam Gutenberg und revolutionierte nicht die Entwicklung, aber die Vervielfältigung. Dank beweglichen Lettern und Druckpressen konnte das geschriebene Wort jetzt viel schneller publiziert werden. Und jede Zeit hatte ihre dazu passenden Schriften. Im deutschen Sprachraum dominierten die gebrochenen Schriften, im romanischen die Antiquas. Aus den Antiquas entwickelten sich Egyptienne und Grotesk und heute ist die Zahl der Schriften fast unübersehbar. Bis 1964 war das noch etwas einfacher – hier das PDF Stempelschneider und Schriftkünstler. Hier bin ich bei den letzten 6 Seiten dem Berichtsheft etwas untreu geworden, siehe PDF Schriftentwicklung2

Damals war es unendlich schwierig Fotomaterial zu finden. Deshalb habe ich diese Seiten neu gemacht, passend zum gesamten Layout. Aber die Originalseiten von 1964 kann man auch betrachten. Zu den Schriftschöpfern hatte ich damals nur aus einer Fachpublikation Zeichnungen der Künstler. Einige davon habe ich ergänzt an Hand von Fotos um nicht zu viele leere Farbflächen zu haben. Aber mein Lehrer damals hat das verstanden und mir trotzdem eine 1 gegeben. Hier die Originale als PDF Schriftentwicklung3

Gutenbergs Buchdrucks führte uns in die Epoche der Druckschriften. Eine noch größere Revolution für Typografie, Satz und Druck schaffte das Desktop-Publishing. DTP ist seit etwa 1992 der rechnergestützte Satz von Dokumenten, die aus Texten und Bildern bestehen und später als Publikationen ihre Verwendung finden.
Dass sich das auch gravierend auf die Entwicklung der Schrift auswirkte, ist nachvollziehbar und hier nachzulesen.